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Auszug aus der Pressenotiz des BAG:

Die Parteien streiten darüber, ob die monatlich von der Beklagten auf- grund einer mit der Streitverkündeten vereinbarten Entgeltumwand- lung zu zahlende Versicherungsprämie in eine von der Beklagten zu- gunsten der Streitverkündeten abgeschlossene Lebensversicherung (Direktversicherung) zum pfändbaren Einkommen der Streitverkün- deten iSv. § 850 Abs. 2 ZPO gehören. Der Kläger ist der geschiedene Ehemann der Streitverkündeten. Die Beklagte ist deren Arbeitgeberin. Im Rahmen der Scheidung des Klägers und der Streitverkündeten war es zu einer Vereinbarung über die Aufteilung von Schulden aus ei- nem laufenden Bauprozess gekommen. In diesem Zusammenhang wurde die Streitverkündete im Wege eines familiengerichtlichen Ver- säumnisbeschlusses zur Zahlung von 22.679,60 Euro nebst Zinsen an den Kläger verpflichtet. Aufgrund dieses Versäumnisbeschlusses erwirkte der Kläger einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss über das gegenwärtige und zukünftige Arbeitseinkommen der Streit- verkündeten. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurde der Beklagten im November 2015 zugestellt. Im Mai 2016 schlossen die Streitverkündete und die Beklagte eine Entgeltumwandlungsverein- barung. Diese hatte eine betriebliche Altersversorgung im Wege einer Direktversicherung zum Gegenstand. Nach dem Versicherungsvertrag ist Versicherungsnehmerin die Beklagte, Begünstigte ist die Streitver- kündete. Der von der Beklagten monatlich in die Direktversicherung einzuzahlende Beitrag beträgt 248,00 Euro. In der Folgezeit leistete die Beklagte aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Zahlungen an den Kläger, wobei sie bei der Ermittlung des pfänd- baren Einkommens der Streitverkündeten den monatlichen Versiche- rungsbeitrag iHv. 248,00 Euro unberücksichtigt ließ. Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten höhere Zahlungen. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Entgeltumwandlung das pfändbare Einkommen der Streitverkündeten nicht reduziere. Diese habe mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Verwer- tungszuständigkeit über ihre Forderung verloren. Im Übrigen gelte der Rechtsgedanke des § 850h ZPO.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsge- richt hat ihr teilweise stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Be- klagte die vollständige Abweisung der Klage.

Die Revision der Beklagten war vor dem Achten Senat des Bundes- arbeitsgerichts erfolgreich. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitgeber für den/die Arbeit-nehmer/in eine Direktversi- cherung abschließt und ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin durch Entgeltumwandlung für sei- ne/ihre betriebliche Altersversorgung verwendet werden, liegt insoweit grundsätzlich kein pfändbares Einkommen iSv. § 850 Abs. 2 ZPO mehr vor. Daran ändert der Umstand, dass die Entgeltumwandlungsverein- barung erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbe- schlusses getroffen wurde, jedenfalls vorliegend deshalb nichts, weil die Streitverkündete mit der mit der Beklagten getroffenen Entgelt- umwandlungsvereinbarung von ihrem Recht aus § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG* auf betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung Gebrauch gemacht hat und der in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorge- sehene Betrag nicht überschritten wurde. Bei einer an § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG orientierten normativen Betrachtung stellt die von der Streitverkündeten mit der Beklagten getroffene Entgeltumwandlungs- vereinbarung keine den Kläger als Gläubiger benachteiligende Verfü- gung iSv. § 829 Abs. 1 Satz 2 ZPO dar. In einem solchen Fall scheidet zudem ein Rückgriff auf § 850h ZPO aus. Ob eine andere Bewertung dann geboten ist, wenn – anders als hier – ein höherer Betrag als der in § 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG vorgesehene umgewandelt wird, musste der Senat nicht entscheiden.

BAG, Urt. V. 14.10.2021 – 8 AZR 96/20 –
Vorinstanz: LAG München, Urt. Vo.14.08.2019 – 11 Sa 26/19 –

*§ 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG:

Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber verlangen, dass von seinen künftigen Ent- geltansprüchen bis zu 4 vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet werden.